Dieses Versprechen wurde auf das Grab von Jîna Mahsa Amini eingraviert. Die Jîna-Revolution ist die laufende Revolution und das, was wir heute im Iran erleben. Ausgelöst wurde diese Revolution durch den Tod der 22-jährigen Kurdin, Jîna Mahsa Amini. Sie wurde von der sogenannten „Sitten-Polizei“ verhaftet, misshandelt und ist an den Folgen der Folter, vor allem den Schlägen auf den Kopf gestorben.
Dabei war Jîna mit ihrem Bruder aus Kurdistan auf einen Ausflug nach Teheran gereist, wo sie eine schöne Zeit erleben wollten. Dieses Verbrechen als Symbol für all die bestehenden Missstände und all die vorherigen Jahre an Menschenrechtsverletzungen, Hunger, Armut, Leid und Diktatur, war wie der Funke, der einen flächendeckenden Brand auslöste. Die Menschen waren dermaßen erzürnt, dass sie sofort auf die Straßen gingen und sich sogar den bewaffneten Unterdrücker*innen des Regimes entgegenstellten und mit ihren bloßen Händen oder mit all den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln angriffen. Sie verteidigten sich gegen bewaffnete Spezial-Kräfte, Frauen zündeten ihre Kopftücher an, nicht um den Hejab oder den Islam an sich zu beleidigen, sondern um gegen die Unterdrückung der Frauen und den strengen obligatorischen Zwangsvorschriften zu protestieren, für die es keine persönliche Entscheidungsfreiheiten gibt.
Die kurdische Parole „Jin Jîan Azadî” (zu Deutsch „Frau Leben Freiheit”), die im kurdischen Frauenkampf ihren Ursprung nahm, ist spätestens nach der Ermordung der 22 jährigen Kurdin, Jîna Mahsa Amini, auch außerhalb Kurdistans zur Leitparole der Revolution und des Widerstandes gegen patriarchale Diktaturen geworden. Diese Parole wird nun auch von allen anderen ethnischen Gruppierungen innerhalb des Irans und außerhalb in den Nachbarregionen, so wie international, gerufen. Dieser Spruch wird jeden Tag aufs Neue verinnerlicht und erinnert uns, weshalb die Revolution lebt und weitergehen muss. Dieser Spruch wird auf den Straßen gerufen, in den Städten oder in ländlichen Gegenden auf die Wände gesprayt und sogar auf Körper tätowiert.
Bereits 2017 und 2019 kam es zu landesweiten Protesten, die nicht mehr getragen waren von Stadtbewohner*innen. Es kamen landesweit Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten auf die Straßen und zum ersten Mal forderten sie unverhüllt “Tod mit dem Diktator” (gemeint ist der sog. religiöse Führer und Irans Diktator Ali Khamenei) und “Tod mit der islamischen Republik”.
Damit haben die Menschen im Iran gezeigt, dass sie endgültig keine Hoffnung mehr auf Reformen haben. Das Regime ist auch dieses Mal mit einer grausamen Brutalität gegen die Demonstrierende vorgegangen. Allein im November 2019 wurden 1500 Menschen auf den Straßen getötet. Die Brutalität ist in den Augen einiger Expert*innen jedoch nicht einmalig und noch nie dagewesen. Der Unterschied diesmal: Iraner*innen überall im Land und die Welt war dank Internet Zeuge dessen, was in abgelegenen Provinzen passiert ist. Die Reaktion des Terrorregimes ist die landesweite Sperrung des Internets.
„Frau Leben Freiheit“ als Bewegung im Iran, als eine von Frauen angeführte Revolution, die wir heute im Iran erleben, ist das Produkt einer langjährigen Entwicklung. Die „Frauen der Enghelab Straße“ haben 2016 ihre Kopftücher ausgezogen, um gegen die Zwangsverschleierung zu protestieren. Diese Proteste wurden mit Smartphones gefilmt und millionenfach in den Sozialen Medien geteilt. Anhand der harten Bestrafungen der Frauen, vielen von ihnen sitzen nach wie vor im Gefängnis, wird ersichtlich, wie sehr die Regierung sich vor ihnen fürchtet und wie mächtig der Protest dieser Frauen ist.
Plötzlich ist die Revolution in den Augen der Menschen wieder eine Option geworden. Zudem hat diese Bewegung es geschafft, die Iraner*innen in der Diaspora zu vereinen. Viele vormals zerstrittene Gruppierungen haben in den letzten Monaten erkannt, wie wichtig eine Zusammenarbeit ist, sofern sie alle die Grundprämissen einer demokratischen Ordnung akzeptieren.
Die Menschen wissen heute, was auf dem Spiel steht. Sie wissen, wie wichtig es ist, jetzt diese korrupte Regierung, die von innen verfaulter ist, zu stürzen. Jedoch sind sie sich auch der Tatsache bewusst, dass eine Revolution vor allem in einem Land, wo patriarchale Strukturen tief verankert sind und mehrere Ethnien mit diversen Sprachen und Kulturen zusammenleben, nicht über Nacht passiert, sondern ein längerer Prozess sein kann, den es aber unbedingt durchzuführen gilt.
Die letzten 6 Monate haben gezeigt, wie verwundbar diese Regierung ist. Es hat die Hoffnung der Iraner*innen überall auf der Welt geweckt, sodass sie wieder anfangen, für einen freien und demokratischen Iran zu kämpfen. Es gab zahlreiche Demonstrationen nicht nur in Iran, sondern auch in westlichen Ländern. „Frau Leben Freiheit” ist eine Parole, die es geschafft hat, enorme Potenziale zu entfachen. Von Studierenden, die Universitäten besetzt haben, bis hin zu Schülerinnen, die lautstark ihre Wut geäußert haben.
Diese Revolution wird auch von sehr jungen Menschen getragen. Die Generation Z hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, diese Regierung in Bedrängnis zu bringen. Ihr Mut gegenüber dem brutalen Regime Schergen ist bewundernswert. Umso herzzerreißender sind die Berichte von Folter, Vergewaltigung und Ermordung dieser jungen Menschen.
Die iranische Revolutionsgarden (IRGC) sind die mit Abstand mächtigsten militärischen, politischen und wirtschaftlichen Akteure. Sie unterstehen dem direkten Befehl Khameneis und sind bereit, für ihr Fortbestehen alles zu tun. Dies haben sie auch dieses Mal bei den Protesten gezeigt. Zahlreiche Videos konnten dokumentieren, wie sie mehrfach Dienstwagen wie Kranken- und Feuerwehrwagen genutzt haben, um ihre bewaffneten Schergen zu transportieren und Protestierende festzunehmen.
Die islamische Republik hat gezeigt, dass sie nicht reformfähig ist. Sie ist unfähig auf die Bedürfnisse ihre Bevölkerung einzugehen. Sie muss daher gestürzt werden. Auch wenn es so aussieht, als hätten die Proteste nachgelassen, geht die Revolution weiter. Während die islamische Regierung jedes Mal die Proteste niederschlagen muss, um ihren Fortbestand zu sichern, müssen die Menschen nur einmal gewinnen, um sie ein für alle Mal loszuwerden.
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